Ich wurde eingeladen einen Artikel für die Blogparade “Achtung. Zukunft. – 8. PM Camp Berlin Online” zu schreiben. Ich habe die Einladung sehr gerne angenommen, um über das Thema zu schreiben, welches mich zur Zeit stark beschäftigt.
Neulich recherchierte ich für meine Arbeit nach der Frage, warum Unternehmen interne Plattformen für Videos und Podcasts haben sollen. Und stellte mir auch so direkt die Frage: „Warum sollten Unternehmen Plattformen für neue Medien zulassen und unterstützen?„. Ich habe nach Argumenten gesucht, die solche Plattformen im Unternehmen befürworten und den Mitarbeitenden die Möglichkeit geben sie aktiv zu nutzen. Später in einem langen Gespräch mit einer Kollegin zu diesem Thema stellte sie mir eine Gegenfrage, die mich wie ein Blitz traf:
Kann sich ein Unternehmen überhaupt noch leisten auf offene interne Plattformen für Mitarbeiterpodcasts und -videos zu verzichten?
Ich muss zugeben, ich habe die Thematik unterschätzt, es geht nicht darum ob neue Medien ein Teil des digitalen Wandels sind. Die wichtigere Frage ist eher: Wie schafft es ein Unternehmen den Einsatz neuer Medien in der Transformation nicht zu vermasseln? Wie setzt man die Technik so um, dass sie Menschen begeistert? Wie unterstützt und befähigt man die Menschen im Unternehmen eigene Formate und Inhalte zu entwickeln?
Wie unterstützt und befähigt man die Menschen im Unternehmen eigene Formate und Inhalte zu entwickeln?
Lohnt es sich überhaupt über diese Themen zu sprechen? Haben neue Medien überhaupt Relevanz und eine Nachfrage, die man beachten sollte? Persönlich würde ich die Frage auf jeden Fall bejahen, zusätzlich lasse ich einige Statistiken für mich sprechen (ARD-ZDF-Studie):
- 28% der Bevölkerung in Deutschland nutzt Podcasts
(14- bis 29-jährige: ca. 50%) - 77% der Bevölkerung in Deutschland nutzt Videoportale
- 86% der Schüler lernen heute mit YouTube für die Schule
- Bis zu 21% hören Podcasts im Auto
- Bis zu 17% hören Podcasts im Zug oder Bus
Und Schüler und Studenten, die sich heute an Videoplattformen gewöhnt haben, weil sie dort schnell das nötige Wissen und Informationen blitzschnell abgreifen können, sind die Mitarbeitenden von Morgen. Die Mitarbeitenden von Heute, die noch einige Jahre arbeiten werden, nutzen die Medien im privaten Kontext neben Unterhaltung ebenfalls sehr stark, wenn es um Anleitungen, Erklärvideos und Wissenspodcasts geht.
Als ein moderner Arbeitgeber kann sich also kein Unternehmen mehr leisten auf die neuen Medien zu verzichten.
Gehen wir aber erst einen Schritt zurück und überlegen uns wofür neue Medien, genauer gesagt Videos und Audiobeiträge (überwiegend Podcasts) eingesetzt werden können.
Klassischer Einsatz neuer Medien
Offiziellen News und Meldungen
Die meisten Unternehmen nutzen heute Videos und Podcast immer noch wie eine Zeitung, Fernsehen oder Radio: Wie im Rundfunk werden die Medien von einigen wenigen zentralen Stellen ausgestrahlt, kontrolliert und überwacht. Natürlich ist es eine legitime Art der Informationsversorgung und sie wird auch weiterhin bestehen. Im privaten Umfeld informieren wir uns ja auch über Fernseh-, Radiosendungen, beides linear und nichtlinear. Der Vorteil der klassischen Informationsverteilung ist die Verlässlichkeit der Inhalte, Qualität und Regelmäßigkeit. Denn meistens machen die Menschen diese Medien hauptberuflich und bringen die nötigen Skills mit, um hohe Qualität bieten zu können. Im klassischen Unternehmenskontext haben diese Medienmacher auch den Zugang zu Informationen, die andere Mitarbeitenden nicht haben.
Wie kann denn der klassische Einsatz der Medien von neuen Formaten wie Podcasts und Vlogs profitieren?
- Lesen von News und Meldungen in Textform dauert lange und kann nicht nebenbei geschehen, wird daher seltener gemacht. Audiobeiträge wie Podcasts bringen erhebliche Zeitersparnis.
- Informationen und News als Audiobeiträge sind näher, werden schneller konsumiert und können neben anderen Tätigkeiten (z.B. Autofahren) aufgenommen werden.
- Kompakte und komprimierte Formate für bessere Aufnahme der Informationen (Bsp.: Tagesschau in 100 Sekunden).
- Vertraute Formate aus dem privaten Leben haben eine höhere Akzeptanz und Beliebtheit bei jüngeren Mitarbeitenden.
Einsatz in der Weiterbildung
Welche Vorteile haben neue Medien für formelle Weiterbildung im Unternehmen?
- Lernen mit neuen Medien, Lernen on demand
- Lernen mit Emotionen und Zeitbezug ist erfolgreicher
- Lernen entsprechend des aktuellen Bedarfes und zum richtigen Zeitpunkt
- Offener und freiwilliger Zugang zum Wissen
Die Nutzung der Videos für formelle Weiterbildung ist nichts Neues. Aus den Webinaren kennen wir die Mitschnitte, die Mitarbeitende abrufen können. Es existieren praktisch in jedem Unternehmen interne Portale, in denen offizielle Lernvideos angeboten werden. Zusätzlich ist auch die Lizenzierung externer Lernportale wie Udemy, Pluralsight oder LinkedIn Learning möglich, wobei hierbei natürlich kein für das Unternehmen spezifisches Wissen transportiert wird, sondern eher allgemein zu bestimmten Technologien oder Fähigkeiten.
Podcasts für formelle Weiterbildung sind dagegen ein etwas neueres Format. Viele Inhalte werden nach wie vor in audiovisueller Form angeboten, was von der jahrelangen Erfahrung mit Videos herrührt. Man kann die Lerninhalte auch so aufbereiten, dass sie in rein auditiver Form wirken und ihre Stärken ausspielen: Nähe zum Erzähler, teilen der Erfahrungen und Eintauchen in Erlebnisse anderer Menschen. Zusätzlich ist die Produktion von Audioinhalten weniger aufwändig als von Videos, was auch einen erheblichen finanziellen Vorteil mitbringt.
Ob Audio oder Video, zentralisierte interne Medienplattformen ermöglichen neue Formate, die offizielle Weiterbildungseinrichtungen anbieten können, zum Beispiel:
Die neuen Medien können als begleitende Formate zu offiziellen Schulungen angeboten werden, um auch außerhalb der Veranstaltung das Lernen fortzusetzen. Teilnehmenden einer Weiterbildung können über Podcasts regelmäßige Informationen und Wissen zu einem Thema erhalten, um sich auf dem aktuellen Stand zu halten.
Zukünftige Möglichkeiten durch neue Medien
Die Zukunft der Medien im Unternehmen ist partizipativ. Nicht jedes Unternehmen ist bereit für die Demokratisierung der Kommunikation, gewisse Kanäle wie globale Unternehmenskommunikation sind und bleiben in der Hand von offiziellen Stellen. Ein großer Teil der Wissensvermittlung wird sich jedoch in Richtung der Selbstorganisation verschieben und auch lokale Kommunikation wird ihren Platz finden.
Lokale News und Meldungen
Lokale Kommunikation in Form von Audio- und Videobeiträgen wird die schriftliche Form der Informationsverteilung ergänzen und in Teilen ablösen. Mit lokaler Kommunikation sind Statusrunden gemeint, Informationsveranstaltungen und News für begrenzte Zielgruppen. Die Vorteile sind unter anderem die geringeren Ansprüche an die Produktion der Medien, höhere Relevanz für die Konsumenten und höhere Regelmäßigkeit. Beispiele:
- Statusupdates aus dem Management und von Führungskräften
- News und Berichte aus Fachbereichen
- Updates aus Fachbereichen zu technischen Trends
- Updates für Service- und Vertriebsteams
- Monatsberichte in Abteilungen
- Krisenkommunikation in Organisationseinheiten
Die begrenzte und meistens kleinere Zielgruppe (als das ganze Unternehmen) ermöglicht es auf Freigaben– und Überwachungsmechanismen zu verzichten.
Informelles Lernen
In der sich ständig wandelnden Welt der Technologien, Methoden und Arbeitsweisen sind die Mitarbeiter:innen eines Unternehmens die besten Wissensträger. Das Unternehmen muss den Menschen alle Werkzeuge zur Verfügung stellen und sie befähigen ihr Wissen zu teilen.
Neben den formellen Weiterbildungen müssen Unternehmen in der Zukunft verstärkt auf die informelle Wissensvermittlung setzen. Hier punkten die Erklärvideos und Podcasts der Mitarbeiter:innen, weil diese Medien mit geringem Aufwand produziert werden können.
Da sich um Videokanäle und Podcasts auch Communities bilden können, helfen neue Medien auch der Netzwerkbildung im Unternehmen und damit dem Abbau von Informationssilos.
Unternehmenskultur als wichtige Rahmenbedingung
Wie für alle Transformationen, ist die Unternehmenskultur eine der wichtigsten Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Veränderung der Kommunikation und des Lernens im Unternehmen.
Demokratisierung der Kommunikation und des Lernens bedeutet Kontrollverlust der zentralen Funktionen, Verschiebung der Machtverhältnisse, Akzeptanz der Risiken und Stärkung des Vertrauens in die Menschen des Unternehmens. Die zentralen Funktionen müssen die Chancen erkennen und sie ergreifen, sie erfüllen eine ganz neue Rolle in der neuen Struktur: Sie befähigen die Mitarbeiter:innen zur aktiven Kommunikation, helfen ihnen die nötigen Skills aufzubauen, auf Stolperfallen zu achten und unterstützen sie mit ihrem Wissen und Erfahrung in Kommunikation.
Neue Medien sind kein IT-Projekt
Wie so oft in Unternehmen werden neue Tools als reine IT-Projekte angesehen. Die Menschen bekommen zu einem Stichtag den Zugang zu dem neuen Tool und werden alleingelassen. Paradebeispiele sind dafür Enterprise Social Networks oder Office 365: Das Tools ist da, die Begleitung der Menschen und die gut durchdachte Einführung fehlen, damit auch die Akzeptanz.
Bei den Plattformen für neue Medien ist die Situation noch dramatischer, weil neben den Kenntnissen der Plattformsoftware nutzt noch die Skills in Audio- und Videoproduktion benötigt werden. Dazu kommt noch Beschaffung diverser Soft- und Hardware und bildet ein umfangreiches Ökosystem um die Plattform herum.
Wie kann man also die Adoption neuer Medien als offene Plattformen im Unternehmen angehen? In mehreren Schritten:
- Die technischen Plattformen für Audio und Video aufbauen
- Offiziellen Kanäle aufbauen und promoten
- Nutzungs- und Rahmenbedingungen definieren
- Plattformen öffnen und die ersten Produzenten aktiv unterstützen
- Basisschulungen der Plattformen für Mitarbeiter:Innen anbieten
- Multiplikatoren und Guides ausbilden und unterstützen
Es gibt auch für dieses Thema keine Blaupause für erfolgreiche Transformation. Wichtig sind kleine Experimente und mutige Schritte, mit denen man frühzeitig Erfahrungen sammeln kann. Auch vor der offiziellen Veröffentlichung ist die Community-Bildung eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die neuen Plattformen genug Early Adopters finden und ihr Feedback einfließen lassen.
Fazit
Ich bin davon überzeugt, dass neue Medien wie Podcasts und Videos in Unternehmen die gleiche positive Wirkung auf unsere Kommunikation und Wissensgesellschaft haben wird, wie sie auch schon im privaten Bereich tun. Der Weg dahin ist etwas steiniger und länger, die Reise lohnt sich jedoch. Als attraktiver Arbeitgeber in der Gesellschaft, in der der Anteil der Wissensarbeit ständig steigt, kann sich kein Unternehmen mehr leisten der Vielfalt der offenen Kommunikation zu verschließen. Allerdings reicht es nicht aus nur die Tools einzuführen, die Menschen müssen in der Transformation und dem Umgang mit neuen Medien begleitet und zur aktiven Kommunikation und Wissensweitergabe befähigt werden.
Quellen
- Studie_YouTube_Webversion_final.pdf
- http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/files/2019/0919_Mai_Meinzer_Schroeter.pdf
- https://www.blink.it/blog/podcasts-in-der-weiterbildung
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